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Marzabotto und die Idee der Friedensschule
Die Gründung des Projektes 'Internationale Friedensschule Bremen' im
G.H. Bürgerhaus Vegesack ergab sich durch Anregungen italienischer
Freunde in Marzabotto während der 2-wöchigen Internationalen
Friedenscamps, mehrtägiger Seminarbegegnungen und weiterer
Austauschprogramme, die seit 1985 z.T. bis heute jährlich in
Marzabotto/Italien oder in Bremen veranstaltet werden.

Bremer Campteilnehmer (1999) als Teilnehmer einer Kundgebung in
Bologna/Italien
Die Teilnehmer unserer Seminar– und Campprogramme sind mehrheitlich
Bürger aus den Regionen der Gemeinden Marzabotto / Italien und
Bremen/Deutschland. Weitere Gäste stammen zu Teil aus aktuellen
Kriegsgebieten und gehören oft gegnerischen Parteien, Generationen und
Kulturkreisen an. In der 'Friedensschule' erleben die Teilnehmer der
Friedenscamps wenigstens für einige Tage, dass ein friedliches
Zusammenleben trotz unterschiedlicher kultureller und politischer
Identitäten möglich ist.
Die Menschen in der Vegesacker Partnergemeinde (1992) Marzabotto hatten
während des 2. Weltkrieges unter der deutschen Besetzung zu leiden. Am
29./30. Sept. 1944 wurden von SS-Einheiten und italienischen Faschisten
über 770 Menschen grausam ermordet – vorwiegend Kinder, Frauen und
ältere Männer. Fast jeder fünfte Einwohner der kleinen Landgemeinde vor
den Toren Bolognas kam dabei ums Leben.
Trotz dieser Kriegsverbrechen setzen sich seitdem Bürger der Gemeinde
Marzabotto für die internationale Friedensarbeit ein. In der Vereinigung
'Union der Märtyrerstädte' hatte der ehemalige Bürgermeister
Marzabottos, Dante Cruicchi, den Bremer Bürgermeister Hans Koschnick
kennengelernt. 1985 folgte er gemeinsam mit drei Jugendlichen aus
Marzabotto einer Einladung nach Bremen. Im Rahmen des Besuchsprogramms
lernten die italienischen Gäste auch das Gustav-Heinemaqnn-Bürgerhaus in
Vegesack kennen. Sie erlebten dort deutsche Jugendliche, die an einer
'Antifaschistischen Stadtrundfahrt' teilnahmen. Mitarbeiter des
Bürgerhauses suchten über Hans Koschnick den Kontakt nach Marzabotto,
und wurden als Besuchergruppe nach Marzabotto eingeladen. Dort kam es
zur Verabredung von internationalen 'Friedenscamps', an denen möglichst
auch Vertreter verschiedener Generationen und Kulturen teilnehmen
sollten.

Im Rathaus von Marzabotto
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Scuola Di Pace am Monte Sole
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Seit 1986 finden internationale Friedenscamps, Seminarbegegnungen und
weitere Austauschprogramme zwischen den Gemeinden in Marzabotto und
Bremen statt. 1989 kam der damalige Bremer Bürgermeister Dr. Henning
Scherf für einige Tage in das Friedenscamp nach Marzabotto und 2004
besuchte der damalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau, gemeinsam
mit dem italienischen Präsidenten Scampi, die Internationale
Friedensschule im Parco Monte Sole und die Gemeinde Marzabotto.
Bundespräsident Rau sprach von großer Scham, die er an diesem Ort
deutscher Kriegsverbrechen empfinde.
Während der Friedensseminare sprach der damalige Bürgermeister Dante
Cruicchi wiederholt von der Idee, in einem der im Krieg zerstörten
Häuser im 'Parco Monte Sole' – einem Ort im Ausläufer des
Apenningebirges in der Region Bologna – eine Internationale
Friedensschule einzurichten. Er bat um die finanzielle und ideelle
Unterstützung von deutscher (Bremer) Seite. Schließlich engagierte sich
das Land Hessen finanziell und personell im Kuratorium der
Friedensschule, und über 'Bremer Kontakte' kam es in der neunziger
Jahren, dank der Unterstützung der Bremer Bundestagsabgeordneten Ilse
Janz (SPD) zu einer finanziellen Spende für die Einrichtung einer
Medien-Bibliothek in der Friedensschule Marzabotto.
Die Aufgabe einer Friedensschule (Scuola della Pace) sah der ehemalige
Bürgermeister Marzabottos, Dante Cruicchi, insbesondere in der
Initiierung und Vermittlung von DIALOG-Partnerschaften zwischen
Vertretern von Konfliktparteien. In der Comune Marzabotto und der
dortigen Friedenschule im Parco Monte Sole werden entsprechende Kontakte
u.a. mit israelisch-pälästinensischen Jugendgruppen, und mit Gemeinden
und Initiativen in Vietnam, Kuba, den Balkanstaaten und in weiteren
'Konfliktregionen' unterhalten.
In der Friedensschule im Parco Monte Sole finden seit Sept. 1995 z.B.
'Tre-Voce-Seminare' mit internationaler Beteiligung statt
(italienisch/englisch/deutsch) – oft sind es Nahost-Seminare mit
palästinensischen und jüdisch-arabischen Jugendlichen aus Israel bzw
Palästina und aus Deutschland und andere Ländern.
Angeregt von dieser Idee wurde mit Unterstützung der italienischen
Partner von Mitarbeitern des Bürgerhauses Vegesack und von Mitgliedern
des Freundeskreises Marzabotto (Kreis ehemaliger Campteilnehmer) –
am 1. Mai 1997 im Begleitprogramm zur Maikundgebung des DGB im
Bürgerhaus Vegesack – das Projekt 'Internationale Friedensschule Bremen'
gegründet. Einen Aspekt unserer Arbeit bilden heute Kontakte mit dem
Bildungszentrum Givat Haviva in Israel, das sich für die israelisch –
palästinensische Verständigung einsetzt.
In diesem Sinne verstehen wir unsere Arbeit in der Internationalen
Friedensschule Bremen: Wir wollen mit unseren Projekten dazu beitragen,
daß über DIALOG-Partnerschaften Begegnungen initiiert und gefördert
werden, die dazu beitragen, daß Konflikte auch 'Mit den Augen des
Anderen' gesehen werden, um möglichst ohne Gewaltanwendung zu einem
Interessenausgleich zu gelangen
Mit mehrtägigen Friedenscamps und Seminarbegegnungen, mit Schulprojekten
und Zeitzeugenbefragungen, mit Erinnerungs– und Begegnungsangeboten,
mit Kulturprojekten für alle Generationen und Kulturen – und mit der
Möglichkeit einer Beteiligung für jeden interessierten Bürger.
Wir können keine Konflikte verhindern, aber wir können mit unseren
Projekten daran mitwirken, daß über friedliche Konfliktlösungsstrategien
nachgedacht wird.
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