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ARCHIVGESPRÄCH
ARCHIV-Gespräch
Dienstag, 06. März 2018, 17.00 Uhr
im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus Vegesack, Studiobühne
Blick vom zerstörten Schlachthof auf den
Bremer Hauptbahnhof (1945)
Dr. Hans Hesse
„Vom Bremer Schlachthof in das Vernichtungslager
Auschwitz"
Am 8. März 1943 wurden der Bremer Schlachthof und der
Hauptbahnhof für die Sinti und Roma aus
Nordwestdeutschland für wenige Tage zum
Deportationsbahnhof und somit zum Ausgangspunkt Ihrer
Vernichtung. Für viele der Opfer ist dieser Tag der
„Anfang hässlichster Erlebnisse, niederschmetternder
Erkenntnisse und unsagbarer Seelenpein“, wie ein Sinto
nach 1945 in einem Ermittlungsverfahren gegen einen der
hauptverantwortlichen Kripobeamten dieser Deportation
aussagte: Kriminalsekretär Wilhelm Mündtrath. Der
langjährige Leiter der „Dienststelle für Zigeunerfragen“
leitete höchstpersönlich einen der drei Transporte, die
bis zum 10. März 1943 Bremen verließen, in das
Vernichtungslager Auschwitz.
Annähernd 300 Menschen wurden aus dem Weser-Ems-Gebiet auf
dem Bremer Schlachthof zunächst für mehrere Tage
festgehalten. Darunter eine Familie Bamberger aus
Bremen-Nord. Die Zustände dort sollen unerträglich gewesen
sein. Für die Kinder sei es zu kalt gewesen, Betten nicht
vorhanden, die Opfer mussten tagelang ohne Wolldecken oder
ähnlichem dort kampieren. Milch für die Kinder gab es
nicht. Die Opfer mussten sich notdürftig selber versorgen.
Über das tatsächliche Ziel ließen die Kriminalbeamten ihre
Opfer im Unklaren. Sie würden in Polen umgesiedelt, hieß
es. Im Vernichtungslager nach mehreren Tagen Fahrt
angekommen, soll einer der Kripo-Beamten gesagt haben:
„Das ist für euch die Endstation. Hier könnt ihr euch die
Radieschen von unten ansehen.“
Schon nach wenigen Monaten waren ca. 50% der deportierten
Sinti und Roma tot: verhungert, erschlagen oder an
Krankheiten zugrunde gegangen.
Kriminalsekretär Mündtrath kehrte nach Bremen zurück und
ging 1958 in den Ruhestand, befördert und mit Dank des
Bürgermeisters „für die der Freien Hansestadt Bremen
geleisteten treuen Dienste.“
An diese Ereignisse vor 75 Jahren erinnert Dr. Hans Hesse
in seinem Vortrag.
Der in Bremen geborene und heute bei Köln lebende
Historiker Dr. Hans Hesse beschäftigt sich seit Jahren
intensiv mit der NS-Geschichte seiner Heimatstadt. Eines
seiner Bücher, das er zusammen mit Jens Schreiber
verfasste, schildert die Geschichte der NS-Verfolgung der
Sinti und Roma in Bremen, Bremerhaven und
Nordwestdeutschland.
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