Der Kranich als Friedenssymbol

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In memoriam Dante Cruicchi

Geb. 29. Juli 1921 in Bologna, Italien
Gest. 2. April 2011 in Castiglione dei Pepoli, Region Bologna

'Un Artigiano della Pace' e un 'Uomo della Pace'

Mit dem Tod von Sig. Dante Cruicchi verlieren die Mitglieder der 'Internationalen Friedensschule Bremen' einen langjährigen engen Freund und Förderer.

Seit 1985 sind wir mit dem ehemaligen Bürgermeister in Marzabotto, und Vertreter der Union 'Citte Martiri del Mondo' und des 'Comitato regionale per le Onoranze ai Caduti', eng und freundschaftlich verbunden. Von ihm haben wir zuerst von dem tragischen Schicksal vieler italienischer Familien aus der Region Marzabotto/Bologna während des 2. Weltkrieges erfahren. Über 770 Menschen, darunter fast ausschlieslich Kinder, Frauen und ältere Menschen, fielen im September 1944 innerhalb von drei Tagen einem Massaker deutscher Besatzungstruppen zum Opfer.

Wie schon vorher in anderen Orten im besetzten Italien brachten Einheiten der 16. SS-Panzer-Grenadierdivision, tausende Italiener um. In den Orten Marzabotto, Vado und Monzuno und weiteren kleinen Bergdörfern in der Nähe der Stadt Bologna starben die meisten Menschen in einem kommunalen Bereich.

Dante Cruicchi hatte uns schon 1985 beim ersten Treffen in Marzabotto mit Überlebenden Zeitzeugen aus Marzabotto und anderen umliegenden Orten zusammengebracht. Dabei berichteten sie uns von den Gewaltexzessen, die in den Jahren nach 1943, d.h. nach dem Auseinanderbrechen der deutsch-italienischen faschistischen Bündnisachse, von deutschen Besatzungstruppen an der italienischen Zivilbevölkerung begangen wurden.

Zur Erinnerung an diese Verbrechen wurde 1991 in Bremen, auf dem Gelände der Jugendbildungsstätte LidiceHaus in Sankt Magnus das 'Casa Marzabotto / Franco Paselli' eingeweiht (Franco Paselli war im Sept. 1944 im Alter von einem Monat das jüngste Opfer des Massakers von Marzabotto). Zur öffentlich stark beachteten Veranstaltung waren über siebzig Gäste aus Italien nach Bremen gekommen.Darunter Dante Cruicchi, der Bürgermeister Marzabottos Romano Franchi und der Bürgermeister aus der Stadt Sarzana, Carlo Forcieri. (dem geb. Bremer, Kapitänleutnant Rudolf Jacobs, wurde dort nach dem Ende des Krieges, post mortem, u.a.die Ehrenbürgerschaft zuerkannt, weil er sich für den Schutz der italienischen Zivilbevölkerung gegen Übergriffe der deutschen Besatzungsmacht eingesetzt hatte). Für die Familie Paselli waren die Onkel von Franco, Ardilio und Martino Paselli nach Bremen gekommen.Ihre Anwesenheit war eine besondere Ehre für die Mitglieder der Friedensschule in Bremen.

Aus der Region Marzabotto kam der mitgliederstarke Chor 'Val di Reno' nach Bremen.Der Chor begleitete die Veranstaltung zur Einweihung und die gemeinsame abendliche Festveranstaltung im Bürgerhaus Vegesack. Die SängerInnen wurden vom Bremer Chor 'Zwischentöne' als Gäste betreut. Einige Jahre später folgte der Bremer Chor einer Gegeneinladung der italienischen Freunde nach Bologn

Als offizielle Vertreter Bremens nahmen der ehemalige Bürgermeister, Hans Koschnick, und der amtierende Bürgermeister Dr. Henning Scherf an der Einweihung des 'Casa Marzabotto/Franco Paselli' teil. Leider hat die Stadt Bremen das ehemalige Gelände und die Seminar- und Gästehäuserr des LidiceHauses inzwischen an Investoren und Baugesellschaften verkauft. Damit ist in Bremen ein Symbol für den Frieden und die Versöhnung verloren gegangen. Die Mitglieder der Internationalen Friedensschule Bremen und ihre Partner in Marzabotto hoffen,dass wenigstens eine Erinnerungstafel am Ort des ehemaligen 'Casa Marzabott/Franco Paselli' angebracht werden kann.ie Archivbestände des Casa Marzabotto sind im neuen LidiceHaus in Bremen und im Archiv der Friedensschule im G.H. Bürgerhaus Vegesack vorerst gesichert.

Dank der Hilfe von Dante C. konnten seit 1985 jährlich internationale Workcamps und Begegnungsseminare stattfinden, die von Mitgliedern des Antifaschistischen Arbeitskreises im Bürgerhaus Vegesack und der Internationalen Friedensschule Bremen gemeinsam mit der Comune Marzabotto angeboten wurden – entweder in Marzabotto bzw der dortigen Friedensschule im Parco Monte Sole oder in Bremen.

Durch die langjährige gemeinsame Friedens- und Versöhnungsarbeit, die bis heute von der Comune Marzabotto unterstützt wird, sind inzwischen enge Freundschaften zwischen vielen deutschen und italienischen Familien entstanden.

Die Anfänge dieser Gemeinsamkeiten und die kontinuierliche freundschaftliche Begleitung in den Folgejahren, haben wir Dante Cruiichi zu verdanken. Wir sind stolz darauf, dass wir ihn kennenlernen durften. Sein lebenslanges und zähes Engagement in der internationalen Netzwerkarbeit für den Frieden, sein persönlicher Einsatz im Sinne der Humanität, der Durchsetzung von Menschenrechten und der existentiellen sozialen Absicherung besonders auch für die Menschen in Entwicklungsländern, wird uns immer in Erinnerung bleiben.

Zum Lebensweg von Dante Cruicchi


Dante Cruicchi ca. 1941 als Soldat

Dante Cruicchi wurde am 29. Juli 1921 în Bologna geboren.
1932 verliess er mit seinen Eltern das faschistische Italien und zog in die Nähe von Paris in den Ort Izzy les Milinineaux.

1936, noch als Jugendlicher, engagierte sich Dante in Frankreich für die Verteidiger der Spanischen Republik . Wegen der Kriegsgefahr verliess die Familie Cruicchi 1939 Frankreich und zog wieder nach Bologna in die Via Lybia.1941 wurde Dante als Infanterist zum Militärdienst nach Sizilien eingezogen.

In den folgenden Jahren musste er in Griechenland und zuletzt in Albanien Kriegsdienst leisten.Dort geriet Dante C. 1944 in deutsche Kriegsgefangenschaft und wurde in ein KZ-Lager für italienische Militärinternierte in der Nähe von Berlin verschleppt. Als Mitglied eines Bombenräumkommandos musste er der deutschen Zivilbevölkerung dabei helfen, die Folgen der alliierten Bombenangriffe zu bewältigen.

1945 wurde wurde Cruicchi schliesslich beim Beginn der Kämpfe um Berlin von Soldaten der Roten Armee befreit. Im Chaos der Kämpfe konnte er mit Hilfe der sowjetischen Armee aus der Gefechtszone in Berlin entkommen.Nach mehrwöchigen Fussmärschen erreichte er endlich die Grenze nach Italien.Mit amerikanischen Armmeeeinheiten erreichte er schliesslich die Stadt Verona. Als er in Bologna ankam, stellte er fest, dass seine Familie die Stadt verlassen hatte. Sie waren in das Bergdorf Castiglione dei Pepoli umgezogen.Dort kam er für seine Familie unerwartet an und wohnte dort bis zu seinem Tod.

Sofort nach dem Kriegsende nahm er Kontakt auf mit dem Zusammenschluss der Kommunisten in Bologna.und vertrat die Partei in verschiedenen Funktionen in den Orten Poretta, Camugnano und in Castiglione. In Bologna leitete er später die Wochenzeitung 'La Lotta'.Er arbeitete mit bei der Verabschiedung vieler kommunaler Gesetze in den kleinen Gemeinden, verfolgte aber weiter die politische Entwicklung in Bologna.Er war als Journalist auch für die Gewerkschaften und deren nationaler Zeitung tätig. Gleichzeitig übernahm Dante C. Arbeitsaufträge in der regionalen Genossenschaftsbewegung. Neben all diesen Aufgaben interessierte er sich immer für die friedenspolitischen Entwicklungen in der Welt..

Mit 50 Jahren ergab sich für Dante Cruicchi die berufliche Möglichkeit, als Journalist ein Jahr lang den afrikanischen Kontinent zu bereisen. Er lernte in dieser Zeit viele Initiativen der Befreiungsbewegung von kolonialer Herrschaft kennen.Seine Stationen waren: Algerien, Tunesien, Marokko, Senegal, die Elfenbeinküste, Ghana, Ägypten u.a. Länder. Im Alter von 60 Jahren führte ihn sein Weg als Journalist in den Libanon, den Irak und in die Türkei, wo er sich mit den Problemen der Kurden vertraut machte. Danach war Dante Cruicchi in Mexiko, in Kuba, in allen europäischen Ländern, in Russland und in den Ländern des Ostblocks beruflich unterwegs.

Schliesslich war er von 1976 – 85 Bürgermeister in Marzabotto. In dieser Funktion hat er die Tragödie von Marzabotto weltweit bekannt gemacht. Nach 1985 war er Präsident der 'Union der Märtyrerstädte'(Citta Martiri del Mondo) und Vertreter des 'Comitato Regionale per le Onoranze die Caduti' in Marzabotto/Bologna. In dieser Funktion besuchte er u.a. Gemeinden in Vietnam (Hue), in Japan (Hiroshima) und in Brasilien.

Für seine Friedenstätigkeit wurde Dante vielfach ausgezeichnet. Vom Land Hessen erhielt er 2004 für seine internationale Friedens- und Versöhnungsarbeit die Wilhelm-Leuschner-Medaille.
Die Stadt Bremen, vertreten durch den damaligen Bürgermeister Hans Koschnick, ehrte ihn 1985 mit der Eintragung in das Goldene Buch.

Durch seine berufliche und politische Tätigkeit lernte er viele führende Personen der Zeitgeschichte persönlich kennen: Arafat, Chrustschow, Kadar, Willy Brandt, Marchais,Chirac, di Vittorio a Lama, Pertini, Berlinguer, Longo, die italienischen Präsidenten Napolitano und Ciampi, den deutschen Präsidenten Johannes Rau, Papst Woytila u.v.a.

Die Stadt Marzabotto verlieh Dante C. die Ehrenbürgerschaft für seinen persönlichen Einsatz bei der Darstellung der Leidensgeschichte vieler Menschen in Marzabotto im 2. Weltkrieg und für seine internationale Friedenstätigkeit im Namen der Gemeinde.

Guiseppe Cecconi, Mitglied im Gemeinderat der Stadt Castiglione, bezeichnete Dante Cruicchi zu Recht als 'Artigiano della Pace' (Künstler für den Frieden) und als 'un Uomo di Pace'.

DIALOG-Partnerschaften als friedenspädagogischer Ansatz

Dante Cruicchi hat viele wichtige Anregungen für die Arbeit des Antifaschistischen Arbeitskreises und der 'Internationalen Friedensschule Bremen' im Bürgerhaus Vegesack gegeben. Der Name ' Internationale Friedensschule' geht auf seine Anregung zurück.
Die von Dante geförderte Friedensarbeit in der Comune Marzabotto, der Union 'Citte Martiri del Mondo', des ' Comitatio Regionale per le Onoranze ai Caduti' und in der 'Scuola di Pace' im Parco Monte Sole ist für uns zum Vorbild geworden.

Seit vielen Jahren finden in der Comune Marzabotto und in der 'Scuola di Pace' im Parco Monte Sole Begegnungen mit Menschen aus Konfliktregionen statt. Mit Hilfe von 'Dialog-Partnerschaften auf Zeit' wird in Camps und Seminaren versucht, die Ursachen von Gewalt und Krieg gegen Andersdenkende, sozio-kulturelle Gruppen oder ethnische Minderheiten 'mit den Augen des Anderen' zu betrachten. Wir waren 1999 sehr froh, dass wir gemeinsam mit Vertretern des jüdisch-arabischen Friedens- und Bildungs-zentrums in Israel , GIVAT HAVIVA, und unseren italienischen Freunden aus der Region Marzabotto / Bologna, ein Seminar zur Praxis der Friedenspädagogik durchführen konnten.

Das Engagement vieler Menschen in der Region Marzabotto, für die internationale Begegnungsarbeit für den Frieden und für eine Versöhnung ehemaliger Konfliktparteien und Kriegsgegner, hat uns immer sehr beeindruckt.Wir sind stolz , dass die Menschen dort uns als Partner und Freunde angenommen haben.

Die Anfänge der Internationalen Begegnungsprogramme zwischen den Bürgern aus Marzabotto und Bremen

1985 hatte sich der damalige Bürgermeister in Marzabotto, Dante Cruicchi, bereiterklärt, mit Vertretern des Antifaschistischen Arbeitskreises im G.H. Bürgerhaus zusammenzutreffen.

Anlässlich des Besuchs einer Vertretung Marzabottos im März 1985 in Bremen, Bürgermeister Dante Cruicchi war einer Einbadung des Bremer Bürgermeisters Hans Koschnick mit drei Jugendlichen aus der italienischen Gemeinde gefolgt, kam es zu einer ersten Begegnung im Bürgerhaus Vegesack. Dort trafen die Italiener auf Vertreter des Bürgerhauses, der Antifagruppe und eine Gruppe Bremer Schüler, die an einer Antifastadtrundfahrt teilnahmen.In dieser Situation kam es zu einem ersten Gedankenaustausch.
In den folgenden Tagen fragte der Leiter des Bürgerhauses in einem Brief an den Bürgermeister in Marzabotto an – unterstützt vom Bremer Bürgermeister Hans Koschnick – ob es auf italienischer Seite Interesse an einem wechselseitigen, jährlich stattfindenden Antifacamp und Begegnungsprogramm mit Bürgern aus unseren Gemeinden gebe.

Dank der Beratung des Mitarbeiters bei der Jugendförderung in Bremen, John Gerardu, konnte die bremer Geschichts- und Romanistikstudentin Inge Haake für eine Dolmetscher- und Planungstätigkeit im Rahmen der von uns geplanten Workcamps gewonnen werden. Inge Haake hatte schon mehrere Camps und Seminare Bremer Freizeitzentren in Marzabotto geleitet und dabei einen freundschaftlichen Umgang mit einigen Familien in Marzabotto aufbauen können. Da sie selber mehrere Jahre in Italien gelebt und gearbeitet hatte, kamen ihre Kenntnisse des Landes und der Region Marzabotto/Bologna der weiteren Entwicklung der Beziehungen zwischen den Bürgern aus Bremen und Marzabotto sehr zu Gute.

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Dank John Gerardu und Inge Haake konnte der von Bonn aus international agierende Service Cicil International (SCI) für eine Jahre andauernde, kontinuierliche Förderung der folgenden Begegnungsprogramme zwischen dem Bürgerhaus Vegesack und der Comune Marzabotto gewonnen werden.

Als Ergebnis dieses ersten Planungsttreffens kam es in den Folgejahren zu einer Vielzahl von Camp- und Seminarbegegnungen zwischen Bürgern unserer Gemeinden. Die Internationale Friedensschule Bremen war oft auch der Brückenbauer für andere Gruppen aus Bremen, Hannover, Wismar u..a. Städten.

Die Friedensschule initiierte und koordinierte Seminarfahrten nach Marzabotto u.a. für Friedensinitiativen, Gewerkschaftsgruppen und Betriebsräte, Jugendorchester, Sportvereine.,Chöre, Schulklassen, Studentengruppen, Frauengruppen, gewerkschaftliche Rentnervereinigungen, Bildungsvereine, Künstler verschiedener Sparten, Kommunalpolitiker. u.v.a. Bis heute haben über 1500 Bürger aus Marzabotto und Bremen an den Begegnungsprogrammen teilgenommen. Weitere Bürger aus anderen Gemeinden und aus anderen Ländern waren Gäste der Programmaktivitäten in Marzabotto und in Bremen. Gäste kamen aus Japan, den USA, aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien: Serbien, Kroatien, Bosnien-Herzogowina, aus Russland, der Ukraine und Weissrussland, aus den Niederlanden umnd weiteren Ländern. Zum Teil wurden Familien die als Flüchtlinge in Bremen lebten und aus Krisengebieten stammten in die Camps eingeladen Sie berichteten von der politischen und sozialen Lage in ihren Heimatländer. Gleichzeitig erfuhren sie in den Familiencamps viel persönliche Unterstützung von den anderen Teilnehmern. Teilweise konnte der soziale Kontakt mit diesen Menschen über das persönliche Netzwerk in Bremen/Marzabotto über längere Zeit aufrechterhalten werden.

Die ein- bis zweiwöchigen Camp- und Seminargemeinschaften haben oft Menschen zusammengeführt und einander nähergebracht, die sich sonst vermutlich nie begegnet wären. Wir alle haben viel voneinander gelernt – z.B, dass wir alle fast überall Fremde sind, dass es 'die Anderen' als kollektive Masse nicht gibt und dass wir 'den Anderen' zunächst persönlich wahrnehmen und respektieren sollten. D.h. auch, dass wir unsere Vorurteile in Frage stellen und dass wir die Anderen – jedenfalls solange sie uns nicht als politische Unterdrücker und soziale Ausbeuter begegnen – versuchen müssen, in den Motiven ihrer Ansichten und Handlungen zu verstehen.

Was darüber hinaus geblieben ist, sind z.B. die vielfältigen persönlichen Kontakte und Freundschaften sowie viele kleine Netzwerke vor Ort und die besonderen freundschaftlichen Beziehungen mit vielen Menschen in Marzabotto/Bologna.

      Gerd Meyer M.A.               Bremen-Vegesack, den 24. April 2011

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